Lovesick

13
Jan
2006

Mein Tod in der Badewanne

Seine Hand umgriff die scharfe Klinge. Das Badewasser war angenehm warm.
Der milde Duft von Rosenöl umschmeichelte seine Nase. Er wunderte sich, wieviel Kraft er aufwenden musste, um die Ader zu öffnen.
Dann betrachtete er unbeteiligt, wie das Blut aus seinem Handgelenk das Wasser mit roten Mäandern einfärbte. Der anfängliche Schmerz liess allmählich nach. Ihm folgte eine Art stille Zufriedenheit.
Die Unausweichlichkeit und Unabänderlichkeit seiner Tat erfüllte ihn mit stummen Glück. Nun war es vollbracht.
Nie wieder würde er so bitter leiden müssen. Mit gebrochenem Herzen dasitzen und keine Tränen mehr zur Verfügung haben. Das grosse Glück, das er empfunden hatte, war ihm mit einem einzigen Satz entrissen worden. " Ich betrachte unseren Beziehungsversuch als gescheitert" , schrieb sie ihm lapidar auf seinen flehenden Hilferuf nach Liebe. Das war es, was er im Grunde seines Herzens wollte und brauchte: geliebt werden. Die tiefe Liebe, die er zu geben bereit war, zurückzubekommen.
Doch grausam und willkürlich hatte sie das Band durchschnitten und eine tiefe, schwächende Hoffnungslosigkeit hatte sich seiner bemächtigt. Die Ausweglosigkeit seiner Situation lähmte ihn. Mechanisch verbrachte er seine restlichen Tage.
Nichts mehr schien einen Sinn zu ergeben. Alles kam ihm auf einmal bedeutungslos vor. Sein Leben war verwirkt, vergebens, zwecklos.
Wenn er sich in den Schlaf geweint hatte, träumte er den Traum, den er nun nicht mehr verwirklichen konnte. Sie wollte nach Irland. Sie beide auf einem Hausboot auf den Shannon-River.
Die Hunde standen an der Reling und blickten aufgeregt ans Ufer. Sie strich sanft durch sein struppiges blondes Haar während er fachmännisch das Boot durch eine Schleuse manövrierte. Ihre Gesichtszüge waren ausgeglichen und glücklich. Sie lächelten sich an und ihre Herzen waren erfüllt von der Wärme ihrer Liebe.
Als er ihr sanft einen Kuss auf die Lippen drücken wollte, wurde er aus seinem Traum gerissen und seine Hände tasteten nach ihren Körper, vergebens.
Sie war nicht da. Sie waren nicht da, die zwei sanften braunen Augen. die ihm zuzwinkerten. Das wallende rote Haar, das ihn einst umfing. Die hübschen kleinen festen Brüste, die er so liebte. Das Lächeln, das ihn begrüsste.
Er kam sich unendlich betrogen und verhöhnt vor. Die bittere Leere und der dumpfe Schmerz kehrten schlagartig wieder. Allein war er und alleine würde er bleiben. Sie wird meine letzte grosse Liebe gewesen sein, dachte er und seine Trauer, sie verloren zu haben fügte ihm physische Schmerzen zu.
Tot wollte er sein, um diesem Schmerz zu entrinnen.
Das Badewasser war nun einheitlich rot und er fühlte sich leicht und angenehm müde. Wenn er die Augen schloss, hatte er ihr geliebtes Gesicht mit dem geheimnisvollen Lächeln vor sich, so wie er sie kennen und lieben gelernt hatte. Nicht diese vehärmte Frau, die wortlos mit leerem Blick auf ihrem Bett sitzend sich einfach weigerte, mit ihm zu reden. Es hätte nichts mit Ihm zu tun, war die einzige Auskunft, die er ihr entlocken konnte. Dann starrten sie stumpf in den Fernseher und hatten sich nichts zu sagen. Es war eigentlich egal, daß er bei ihr war. Er war Luft oder ein Stück Holz, für sie nicht existent.Eine ohnmächtige Verzweiflung beschlich sein Gemüt. Er schien ihr völlig gleichgültig geworden zu sein. So behandelt man nicht mal seine Feinde warf er ihr noch an den Kopf, bevor er die Tür hinter sich zuwarf. Die Trostlosigkeit empfing ihn mit offenen Armen, als ob sie schon auf ihn gewartet hätte.
Das Wasser wurde kühl, doch er hatte nicht mehr die Kraft, die Amartur zu erreichen. Das Messer glitt aus seiner Hand und fiel auf den gefliessten Boden. Ein letzer Kuss blieb ihm verwehrt.
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